Episode 11

Ich muss wohl auf den Boden der Tatsachen

Nach all dem Spaß der letzten Wochen jetzt mal knallharter Realismus. Soweit das eben in einer Simulation einer fiktiven Welt möglich ist. Wir haben so viele nette Modelle mit Pferdeköpfen und Hörnern versehen und sie in Rosa gehüllt, aber in wieweit man daraus eine brauchbare Streitmacht machen kann, ist eine ganz andere Sache.

Jetzt steht ein Spiel an. Als Verteidiger. Dafür bin ich nicht wirklich vorbereitet. Gut, mit drei Cybots hat man schon was, das man in den Weg stellen kann. Aber Scouts und Bikes sind wenig hilfreich für so ein Szenario. Und sowohl Land Raider als auch der Knight sind mir bei einem 750er Spiel zu punkteintensiv. Also muss wohl noch schnell was bepinselt werden. Schwere Waffen wären doch ganz nett. Bisher haben wir ja nur einen Raketenwerfer in einem Standardtrupp, das ist immerhin ein Anfang. Noch so ein Trupp wäre gut, am besten noch mit einem Plasmawerfer. Und dann ein Devastortrupp, von den Punkten her sind eine Plasmakanone und zwei Raketenwerfer drin. Schauen wir mal in die Vorratskiste. Alles da, auch wenn die Plasmakanone aus einer ebay-Bündelauktion etwas dickschichtig in Dark Angels Green bespachtelt wurde, bevor sie in Quickshade getunkt wurde. Egal, geht schon irgendwie.

Ich brauche auch noch einen anderen Befehlshaber. Der Kollege in Terminatorrüstung ist ja wirklich nett, aber hierfür nicht das Richtige. Ich hätte gerne einen ganz normalen Veteran mit einer Bolter-Plasma-Kombiwaffe. Den stückele ich mir aus einigen Blood Angels Expudingsbumsgarde-Kerlchen zusammen. Das sind also elf Mann zu bemalen. Wenigstens muss man nicht viel umbauen. Vor allem Hörner drauf. Verschiedenste Stacheln und Klingen und vor allem Chaoskriegerhörner werden verklebt. Der Chef kriegt was besonderes, eine Hexenkriegerinnenklinge.

Da mir meine Helferin beim Grundieren zur Seite steht, geht es recht schnell voran. Aber elf Mann sind schon ganz schön was zu tun. Besonders der zugeschmierte Kollege mit der Plasmakanone ist beim Inken eine Herausforderung, da nicht mehr viel Ritze da ist, in die das Ink fließen kann. Also dann eben frei Hand alle früheren Kanten und Furchen herauskitzeln. Frisst Zeit. Aber irgendwie kriegen wir es hin und zum Spiel stehen in der Tat nur fertige und mit Coat versehene Miniaturen der Pink Ponycorns auf dem Brett. Es ist sogar noch Zeit ein Banner für die zu verteidigende Festung zu basteln. Ach ja, die Festung selber muss auch noch angemalt werden...

Das Ganze bringt den Orden doch schon ganz gut voran. Immerhin hat man jetzt etwas mehr Auswahl bei den „normaleren“ Truppen. Auch wenn das nicht so spaßig sein mag wie riesige rosafarbene pferdeköpfige Megakampfroboter oder großbusige Poweramazonen, sind diese Minis immer noch was, wo Otto-Normal-Tabletopper (gibt es so was überhaupt?) zweimal hinschauen wird.

Ich hatte die Idee vor einigen Wochen auf einem Einsatz. „Schmollst Du schon wieder, Aurora?“, hörte ich eine Stimme hinter mir. „Du weißt, wie gerne ich an der Front mit dabei wäre“, erklärte ich, als ich etwas wehmütig in die Ferne blickte.

 

„Du machst Dir nur Sorgen um Deine Tochter, oder vermisst Du wirklich die Zeit, in der Du keine Kleidung tragen konntest?“ Sie hatte leicht reden. Sie würde ihre Implantate noch mindestens zwei Jahrzehnte tragen können, vielleicht noch ein halbes Jahrhundert.

 

„Es ist einfach ein Unterschied, ob man vorne dabei ist oder hier hinterher aufräumen muss.“ Ich hob einen Bolter auf, der neben einem Schlackehaufen lag, der wohl mal ein Verräter gewesen sein musste, und legte ihn in einen Isolierkasten zur späteren Reinigung.

 

„Was denkst Du, wie es mir geht? Ich bin als volleinsatzfähige Kriegerin abkommandiert euch zu unterstützen!“ Sie schnaubte kurz. „Erstens, bist Du ja bei weitem nicht die einzige und zweitens strebst Du doch die Karriere eines Obertechs an. Das ist doch genau nach Deinem Geschmack! Und außerdem freust Du Dich mit mir arbeiten zu können!“ Den letzen Satz sagte ich etwas beleidigt.

 

„Du weißt, wie wichtig mir die Arbeit mit Dir ist“, sagte sie besänftigend. „Du bist zur Zeit mit Abstand die begabteste Mechanica und ein wichtiges Vorbild für uns. Und trotzdem vermisst Du die Zeit, in der Du ungefragt nackt umher schreiten konntest. Immerhin ist Dein Outfit jetzt immer noch, wie soll ich sagen, recht freizügig.“

 

„Meinem Mann gefällt es, und ich fühle mich so einfach wohl. Außerdem machst Du Dir doch immer einen Spaß daraus, wenn wir wie hier mit verbündeten Armeen ins Feld ziehen, sie zu necken.“

 

„Bei den Roaring Tiger-Lions klappt das wenigstens ein bisschen. Bei den Eisenengeln ist das offensichtlich völlig unmöglich. Da kannst Du dich breitbeinig vor einem bücken und keine Reaktion kriegen. Trotz des tiefen Einblicks!“

 

Es machte ihr wirklich Spaß so daher zu reden. Trotzdem war sie ein sehr gute Kämpferin und eine noch begabtere Tech. Sie würde, nachdem man die Implantate entfernt haben würde, einmal eine ausgezeichnete Mechanica abgeben, vielleicht sogar eine Nachfolgerin. Aber ihre spaßigen Äußerungen hatten einen traurigen Kern. Eisenengel repräsentierten den Archetypes eines Marines. Unser Orden würde immer mit dem Makel des Slaanesh kämpfen müssen. Immerhin hatten wir mittlerweile eine wichtige Rolle in der Allianz unserer Orden. Wir konnten die Eisenengel und selbst die noch stärker technikorientierten Tiger-Lions mit Ausrüstung versorgen. Aber dafür müssten wir unsere Aufgabe hier erfüllen.

 

„Komm, wir müssen weiter, ich bin mir sicher, hier gibt es noch viel zu holen.“ Ich hatte da noch nicht geahnt, was wir finden würden.

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