Episode 01

Ich will auch malen

Manchmal überrollen einen die Ereignisse. Das ist halt so, muss aber nicht schlecht sein. Ich zeichne hier mal ein Bild: Man sitzt gemütlich da im heimeligen Schein einer Tageslichtlampe, über eine Miniatur gebeugt, einen Nuller-Pinsel in der einen Hand, besagte Miniatur in der anderen (genauer einen kleinen Blechdeckel eines alten Nudelsoßenglases, auf dem die Figur mittels Neodymmagneten in ihrem Sockel gehalten wird). Oft sitzt man so auch nicht allein, Gleichgesinnte teilen das entspannende Erlebnis; im Hintergrund erschallen die zarten Klänge einer Metalcore-Kapelle. Hach, wie idyllisch! Für mich ist das noch immer etwas Besonderes. Vor allem da ich jetzt einige Jahre Pinselabstinenz hinter mir habe, fühlt es sich gut an wieder kleinen Figuren in ihr Farbkleid zu helfen.

 

Während man also so konzentriert da sitzt, kann so einiges passieren. Prinzipiell könnte wahrscheinlich draußen die Welt untergehen und man würde es nicht merken. Ich meine aber direktere Ereignisse. Beispielweise kann ein kleines Mädchen angewackelt kommen, Kindergartenalter, blond, niedlich. „Was macht ihr da?“ kommt als Frage. „Figuren anmalen“ ist die kurze Antwort. „Ich will mitmachen, ich will auch malen“ kommt darauf wieder zurück. „Öhm.... ja... klar...warte mal kurz.“

 

Nach Wühlen in einer Box findet sich ein alter Space Marine, Plastik, 2te Edition; also eher simpel gestrickt. Der wurde auch schon zum Austesten eines alten Farbschemas eingesetzt, so vor etwa 15 Jahren, nicht wirklich schön. Also warum den nicht opf... äh, überarbeiten.

 

Mein Vorschlag also: den pinseln wir jetzt Girly-Style-mäßig an. Die Kleine kriegt einen alten Pinsel. Ich schlage ihr vor violett (also „lila“) und rosa. Die Wichtelin ist einverstanden. Recht zügig wird die Figur, ehemals vor allem blau und schwarz, in ein zartes, na wohl eher kräftiges, violett getaucht. Gut, sie kommt noch nicht in alle Ritzen, da helfe ich mal schnell, trotzdem ist sie mit Begeisterung dabei. Zum Glück brauchen die Acrylfarben von heute nicht sonderlich lang zum trocknen und es kann schnell weitergehen. Blaue Tusche, etwas verdünnt, großzügig aufgetragen das kriegt die Kleine auch hin. Dann bin wohl ich gefragt. Her mit dem Rosa. Trockenbürstpinsel einsatzbereit und los geht’s, keine Gnade. Das Ergebnis sieht eigentlich ganz dynamisch und interessant aus. Wer hätte das gedacht.

 

So noch etwas Details, ähm, nicht wirklich, da die Figur doch eher arm an solchen ist. Dann sagen wir halt etwas kompositionelle Abwechslung. Ach, Silber will Sie nicht. Was denn dann? Aha, Gold geht klar. Also ein Schulterpanzer, der Brustadler und etwas am Raketenwerfer in Gold. Wie machen wir die Augen? Es braucht einen guten Kontrast. Ein helles Türkis (oder ist das Cyan?) passt ganz gut.

 

Der große Kämpfer sieht jetzt irgendwie aus wie eine Figur aus My Little Pony oder so, zumindest von den Farben her. Wäre mir allerdings neu, dass es bei My Little Pony Raketenwerfer gibt, aber wer weiß, man kann ja nicht für alles Experte sein. Hey, Moment, warte mal, warum eigentlich nicht, eine Art My Little Pony Space Marine. Aber da fehlt noch was. Was ist mehr Girly als ein rosa Pony? Klar, ein rosa Einhorn!

 

Ein Horn ist schnell gefunden, Bitzzbox macht's möglich, ist wohl der Stoßzahn eines ehemaligen Chaosterminators. Sekundenkleber wirkt mal wieder Wunder. Schnell auch noch hier Gold drauf. Ja, das hat jetzt was.

Mit schwarzer Tusche werden dann noch mal eben alle Kanten nachgezogen, etwas mit Rosa gegen korrigiert (irgendeiner der Striche wird ja immer zu dick), fertig! Sieht doch echt nach was aus. Auch die Wichtelin ist begeistert. Letzter Schritt glanzfreies Coating. Mist, nimmt etwas vom Trockenbürsteffekt, muss ich bei der nächsten Miniatur bedenken. Trotzdem doch ein schöner stylischer Marine.

Ein neuer Space Marines Orden ist geboren, die... Pink Unicorns... nee, die Pink Ponycorns! Ja, genau! Weil Alliteration ist einfach besser (frag doch mal einer Stan Lee!). Tja, da werde ich wohl in nächster Zeit mit Hilfe meiner kleinen Unterstützerin noch mehr bemalen müssen. Ja, nach Jahren der großräumigen Abstinenz vom Malen fühlt sich das super an. Ein ganzer 5-Mann Trupp ist schnell zusammengestellt. In der Masse sieht dieses bescheuerte Farbschema echt noch besser aus.

 

Jetzt gehen mir aber langsam die alten Space Marines aus (naja, zumindest die Normalos). Egal, ebay wird Abhilfe schaffen, außerdem liegt in den Boxen noch einiges an Sturm- und anderen Truppen.

Bei aller Begeisterung und Enthusiasmus sollte man aber nicht vergessen, dass wir doch eigentlich immer bemüht sind die Farbe dem Charakter einer Miniatur anzupassen. Machen denn Space Marines in Violett Sinn? Nun, wenn man lange genug (und verquer genug) darüber nachsinnt, erstaunlicherweise irgendwie schon. Space Marines sind ihrem Wesen nach grundsätzlich erstmal vor allem blau. Sie sind standhaft, ehrenvoll (soweit das 40K Universum dies zulässt), taktisch und bedacht und verglichen mit anderen doch ein wenig behäbig. Blau eben (deshalb machen ja auch rote Space Marines so wenig Sinn; ja, ich rede mit Euch, Söhne des Sanguinius!).

Violett steht symbolisch für ganz andere Eigenschaften, die irgendwie schwerer zu fassen sind. Man muss daher am besten andere archetypische Symbole hinzunehmen um diese Eigenschaften sinnvoll zu beschreiben. Simpel ist die Feststellung, dass Violett in der additiven Farbmischung das Produkt aus Rot und Blau ist, also irgendwie was Gemischtes, so mittendrin. Weitere Symbole, die gemeinhin mit Violett assoziiert werden, sind der Mond oder das Element Wasser. Beides irgendwie nicht so richtig greifbar und doch irgendwie gewaltig und damit fest. Ein violetter Space Marine drückt das eigentlich gar nicht so schlecht aus, denn irgendwie passt die Farbe, weil fest und irgendwie auch nicht, weil nicht greifbar überhaupt nicht passt, und mit diesem Widerspruch passt es umso mehr. Violett ist aber auch eine Farbe der Sinnlichkeit und Sexualität. Das steht eher im Widerspruch zum Space Marine, also quasi als poetischer Widerspruch, und damit passt es wieder doch irgendwie. Verwirrend. Aber immerhin gehört hier als weiteres archetypisches Symbol der Hermaphrodit hin, Widersprüche sind also Programm. Zum Thema Sexualität passt das mit dem Einhorn außerdem doch gar nicht schlecht. Traditionell ist dieses Fabelwesen eher mit der Farbe blau assoziiert, aber mir kann keiner sagen, dass das Horn in dem Fall nicht phallisch wirkt. Soll jetzt nicht heißen, dass die neuen Space Marines mit einem Penisersatz auf dem Kopf herumlaufen, sondern lediglich unterstreichen, dass es sich eigentlich schön abrundet.

 

Sind das jetzt aber loyale Marines? Mit den Farben und dem Phallussymbol könnten das immerhin Slaanesh-Anhänger werden, und so anders als Empereror's Children sehen die nicht aus. Zunächst mal sind die Pink Ponycorns als loyaler Orden ausgelegt. Aber das hat auf jeden Fall Potential etwas Geschichte drum herum zu stricken und etwas Anzüglicheres hineinzumischen, das dann aber wohl besser ohne Mithilfe eines Kindergartenkindes.

 

Also erst mal für gut befunden, und auf jeden Fall etwas zum weiter verfolgen. Ein Space Marine Orden in Rosa, und das mir. Hätte ich früher wahrscheinlich für doof gehalten. Aber da der Humor so ein bisschen aus dem Hobby entwichen ist, muss man wohl radikale Kontrapunkte setzen. Dazu mehr in Episode 2.

Bericht Inquisitor Juvenus: Mein erster Auftrag brachte uns tief in den Westen der Galaxie. Ein Warpsturm trieb uns allerdings wohl vom Kurs ab. Als wir in den Normalraum zurückkehrten, war vor uns eine gewaltige schwarze Wand, eine riesenhafte Dunkelwolke. Sie blockierte das Licht der Sterne und machte somit Navigieren quasi unmöglich. Bevor wir uns also sinnvoll orientieren konnten, trieben uns die letzten Ausläufer des Warpsturms, die in den Normalraum hinüber reichten, direkt in die Dunkelwolke. Unser Schiff wurde schwer getroffen. Viele kleine Körper prasselten auf die Hülle. Als wir bereits dachten, es würde uns das Äußere vom Schiff reißen, hörte das Einprasseln plötzlich auf. Wir waren im Innern der Wolke, die wohl eine Art Schale bildete. Ein halbes Dutzend Sterne erstrahlte vor uns und gab uns somit ein Gefühl für die Größe der Wolke. Leider war unser Schiff so schwer beschädigt, dass wir mehr oder weniger antriebslos im Raum standen. Die Einschläge der zahlreichen Partikel hatten unsere Restfahrt aufgehoben.

 

Wir würden wohl hier im Nichts ersticken, sobald uns der Sauerstoff ausging. Dann plötzlich ein Signal. Der Maschinengeist eines Wachsatelliten rief uns an. Er akzeptierte meine Identifikation als Inquisitor und gab an Hilfe zu senden. Nach wenigen Stunden des Wartens nahm uns ein riesiges Schiff in seinen Hangar. Offenbar erfolgte dann ein Warpsprung. Als wir wieder ausgeschleust wurden, befanden wir uns auf der Oberfläche eines Planeten. Wir verließen unser Schiff, imperiale Soldaten sicherten die Gangway, sodass mein Gefolge und ich gesichert ins Freie treten konnten. Eine Eskorte kam auf uns zu. Die tiefstehende Sonne im Rücken zeigte bereits klar, wer da auf uns zukam, Space Marines.

 

Als die fünf Marines weiter auf uns zukamen, erschrak ich jedoch, ihre Rüstungen waren Violett bis Rosa und auf der Stirn ihrer Helme prangte ein goldfarbenes Horn. Meine Vermutung war klar, das mussten Verräter sein, die Slaanesh huldigten. Meine Hand glitt bereits in Richtung meiner Boltpistole, als ich sie weiter musterte. Keine Mutationen, keine Pfeilsymbole, und einen imperialen Adler auf der Brust. Das ließ mich kurz stutzen. Ich zog meine Hand von meiner Waffe zurück, als mich der Sergeant der Gruppe mit den Worten „Wir grüßen Euch, Eminenz, im Namen des Imperators“ ansprach.

 

Sie stellten sich kurz vor, diese merkwürdigen Marines gehörten zum Orden der Pink Ponycorns. Ich war gespannt, was ich von diesen Astartes noch zu hören kriegen würde. Mein erster Auftrag begann gerade interessant zu werden. Bericht Pause, wird fortgesetzt.“

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